Wie kann man die Integration von Flüchtlingen im und durch den Sport in ganz Europa am besten gestalten? Diese und andere Fragen wurden von der europäischen Konferenz “Sport Inclusion of Migrants and Refugees in a transforming Europe“ in der Cidade do Futebol in Oeiras (Lissabon), dem neuen Sitz des portugiesischen Fußballverbandes, diskutiert.
Bei dem Event kamen mehr als 100 Teilnehmer_innen verschiedener Sportakteure - von der Basis bis zur professionellen Ebene - zusammen, um Erfahrungen und bewährte Praktiken auszutauschen. Die Konferenz wurde vom Netzwerk SPIN (Sport Inclusion Network) im Rahmen des Erasmus+ Projekts "Sport Welcomes Refugees" organisiert.
Joaquim Evangelista, Präsident der portugiesischen Spieler_innen-Gewerkschaft, einer der acht SPIN-Partnerorganisationen, forderte in seiner Eröffnungsrede Geschlossenheit aller Stakeholder bei der Unterstützung der sozialen Inklusion von Migrant_innen und Flüchtlingen.
"In Portugal hat der Fußball eine größere Verantwortung, entsprechend seiner enormen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung. Verfolgung, Konflikte und Menschenrechtsverletzungen betreffen auch uns in Europa, solange es Menschen gibt die unter solchen Bedingungen leiden. Wir können diesen Zusammenhang nicht ignorieren. Die Bewältigung der Flüchtlingskrise erfordert Mut, aktive Bürgerschaft, Zusammenarbeit und Engagement", sagte der Präsident der Spielergewerkschaft und Hauptorganisator der Konferenz.
Die Ansicht wurde von Kurt Wachter von der fairplay Initiative, der das Sport Welcomes Refugees-Projekt leitet, geteilt, der die Bedeutung des Sports als Instrument für die soziale Inklusion betonte:
"Denken wir zurück an den Herbst 2015, da spielte der Sport eine bedeutende Rolle bei der Aufnahme von Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, angefangen von der Bereitstellung von Sporthallen zum Übernachten bis zu spontanen Sportangeboten.“
Fernando Gomes, portugiesischer Verbandspräsident und UEFA-Vizepräsident, führte das Beispiel von Star-Spielern wie Eusébio, Coluna, Nani und Bruma an, die aufgrund "verantwortungsbewusster Integrationsrichtlinien und Maßnahmen" im Fußball erfolgreich waren.
Um Migrant_innen und Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren, gibt es nichts Besseres als Sport, so João Paulo Rebelo, Staatssekretär für Jugend und Sport in Portugal:
"Derzeit gibt es kein besseres Instrument, um gemeinsam die Werte der sozialen Inklusion, Teamgeist, Freundschaft, Solidarität und viele andere ethische Werte zu fördern, die unabdingbar sind für ein zivilisiertes und gesundes Leben in der Gesellschaft."
Diskussionsrunde über Politiken zur sozialen Inklusion
Der Eröffnung der Konferenz folgten zwei Podiumsdiskussionen und am Nachmittag standen vier interaktive Workshops am Programm.
In der ersten Diskussion ging es um die Frage, ob und wie Sport zum Aufbau eines diversen und inklusiven Europas beitragen kann. Mário Rui André von der portugiesischen Flüchtlingsplattform berichtete, dass er in Griechenland war, um Leute aus Syrien zu empfangen:
"Dort erkannte ich, dass diese Menschen in Situationen lebten, die in Bezug auf die Menschenwürde völlig erniedrigend waren- Wir können da nicht einfach wegsehen, sondern müssen sie respektieren."
Tito Matos, ein Leiter eines Flüchtlingsheims, pries die Funktion des Sports:
"Der Zugang zum Sport ist für Flüchtlinge als Therapie sehr wichtig, da wir von Menschen sprechen, die oft traumatische Situationen und großes Leid erlebt haben."
Paulo César Teixeira, Sportstadtrat von Odivelas, berichtete vom Anliegen, insbesondere Flüchtlingskinder zu integrieren:
"Wir versuchen sie in die Schulgemeinschaft und im Bereich des Sports zu integrieren, insbesondere wollen wir die Familie der geflüchteten Kinder in unsere Gemeinschaft einbeziehen."
Der Hohe Kommissar für Migration, Pedro Calado, erinnerte an die eigene Migrationsgeschichte, als nach dem 2. Weltkrieg viele Portugiesen und Portugiesinnen dem armen Land den Rücken kehrten. Er betonte, dass die Inklusion von Migranten und Flüchtlingen "eine Herausforderung für die gesamte Gemeinschaft ist."
Die zweite Gesprächsrunde befasste sich mit den aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen von Sportvereinen und –verbänden sowie von Migrant_innen- und Flüchtlingsorganisationen, wenn es um die Inklusion durch Sport geht. Teilnehmer_innen waren hier unter anderem Obert Makaza vom irischen Sportintegrations-Projekt Galway Bridge, Aisha Al-Said von der Stiftung des FC Barcelona, die Projekte für Geflüchtete im Libanon, Griechenland und Italien unterstützt, sowie Jonathan Fadugba vom Fare Netzwerk aus London.
Francisca Araújo, zuständig für soziale Verantwortung im portugiesischen Fußballverband (FPF), berichtete, dass der FPF in Partnerschaft mit dem Olympischen Komitee von Portugal und der Plattform für die Unterstützung von Flüchtlingen bereits mehrere Integrations-Maßnahmen gesetzt hat. Die gleiche Idee wurde von Ana Ribeiro von der portugiesischen Liga geteilt:
"Wir haben begonnen Flüchtlinge und Migranten als Freiwillige in unsere Arbeitsteams aufzunehmen, insbesondere in die Organisation von Events der portugiesischen Liga."
Workshops mit starker österreischischer Beteiligung
Der erste Tag der SPIN-Konferenz in der „Stadt des Fußballs“ wurde mit vier Workshops forgesetzt. Der Workshop C widmete sich der Frage der Vernetzung und wie ein zukünftiges internationales Sport & Inklusions-Netzwerk ausschauen müsste, in dem NGOs, Sportvereine und -verbände, Migranten- und Flüchtlingsorganisationen sowie Expert_innen effektiv zusammen arbeiten? Geleitet wurde die Session von David Hudelist von der fairplay Initiative. Bella Bello Bitugu, Sportdirektor der University of Ghana und ehemaliger fairplay-Mitarbeiter, plädierte für die aktive Einbeziehung von Akteur_innen aus dem Globalen Süden, denn das Thema Geflüchtete ende nicht an den Grenzen der EU. Beiträge kamen auch von Orsolya Tolnay vom ASVÖ Salzburg, die das Erasmus+ Projekt ASPIRE leitet, und von Itzik Shanan vom New Israel Fund, der die Kampagne „Kick Racism Out“ koordiniert.
Im Workshop „The contribution of Migrant and Refugee-led Organisations" bereichtete Ali Rezae, der Obmann des Wiener Sport- und Kulturvereins “Neuer Start”, über den Erfolg, dass sie als erster afghanischer Verein nun Mitglied beim Sportdachverband ASKÖ sind. Jerry Essandoh, langjähriger fairplay-Workshopleiter, lieferte im Workshop über „Innovative tools and methods“ einen interaktiven Input.
Der Event wurde am Samstag, dem 24. November, mit zwei Runden Tischen fortgesetzt. Einer befasste sich mit der Stärkung von Frauen mit Minderheiten- und Migrationshintergrund, und ein Panel mit ehemaligen Spielern und Spielerinnen, die über die Beteiligung von Sportler_innen an Maßnahmen zur sozialen Inklusion diskutierten – mit dabei war hier die zweimal afrikanische Fußballerin des Jahres, Cynthia Uwak, die für den FIFA World Player Award nominiert war und der Ex-Profi von Estrela da Amadora, Joaquim Rebelo.
Das abschließende Panel wagte einen Blick in in die Zukunft. Was wäre nötig, damit eine eine nachhaltige Sportintegration von Geflüchteten in ganz Europa Realität wird? Die Türkei, Pakistan, Uganda und der Libanon sind in dieser Reihenfolge die Länder der Welt, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Ist Europa vor diesem Hintergrund bereit, Geflüchtete willkommen zu heißen?
Angesichts der Renationaliserung in vielen Teilen Europas forderte fairplay-Gründer Kurt Wachter den organiserten Sport dazu auf, sich weiterhin für Migrant_innen und Flüchtlinge einzusetzen:
"Hier in Portugal scheint der Diskurs über Geflüchtete noch mit Augenmaß und Vernunft geführt zu werden, es ist toll zu sehen, welch gute Programme hier entwickelt wurden."
Auch in Irland wurde eine systematische Integrationsarbeit entwickelt, wie Des Tomlinson vom irischen Fußballverband erklärte:
"Es gibt eine Partnerschaft auf nationaler Ebene, die nachhaltiges und partnerschaftliches Arbeiten von unterschiedlichen Stakeholdern im Sport erlaubt.“
Das Projekt „Sport Welcomes Refugees“ wird vom Erasmus+-Programm der Europäischen Kommission finanziert. Die Partner sind die portugiesische Spieler_innengewerkschaft (SJPF), Camino aus Berlin, der Fußballverband der Republik Irland, die Mahatma Gandhi Human Rights Organization (Ungarn), Liikkukaa (Finnland), UISP (Italien), FAROS (Griechenland) und fairplay-VIDC als Leadorgansisation.