Marcos Senna wurde in São Paulo, Brasilien geboren. Er gewann die EURO 2008 als Mitglied der spanischen Nationalelf, ist Kapitän von Villarreal CF, ein kultivierter Passgeber und Strafstoßspezialist. Darüber hinaus engagiert er sich im Kampf gegen Rassismus und kämpft für Menschenrechte und die Migrantengemeinschaften in seinen Heimatländern Brasilien und Spanien.
Nachdem er zu Beginn seiner Karriere bei einigen brasilianischen Klubs gespielt hatte, wechselte er 2002 von São Caetano zum spanischen Verein Villarreal CF. Dort hatte er Anteil daran, dass die Mannschaft das Halbfinale der UEFA Champions League erreichen konnte. Zurzeit belegen sie in La Liga den vierten Tabellenplatz.
Senna erhielt Anfang 2006 die spanische Staatsbürgerschaft und spielte bei der Weltmeisterschaft 2006 und bei der UEFA EURO 2008 in der spanischen Nationalelf. Beim siegreichen Elfmeterschießen gegen Italien im Viertelfinale der EURO 2008 erzielte er einen Treffer. Der Höhepunkt seiner Karriere kam zwei Spiele später, als er eine entscheidende Rolle beim Sieg im Finale gegen Deutschland spielte. Vor kurzem hat er die Marcos-Senna-Stiftung gegründet.
Marcos hat seine Unterstützung des FARE-Netzwerks aktuell dadurch untermauert, dass er sich an der Konferenz ‘Vereint gegen Rassismus’ in Warschau beteiligt. Wir haben ihn im Vorfeld der Veranstaltung getroffen, um mit ihm über seine Gedanken zu Rassismus, Vorbildern und der Kraft des Fußballs zu sprechen.
Mein erster Gedanke nach dem Gewinn der Euro 2008: Können die Menschen in Jardim Rincao, Sao Paolo, das Spiel im Fernsehen sehen?
Heidi Thaler: Sie sind Mannschaftskapitän des Klubs Villarreal und Gewinner der Europameisterschaft 2008. Herzlichen Glückwunsch!
Marcos Senna: Vielen Dank. Mit dem Gewinn der Europameisterschaft ist für mich ein Traum wahr geworden. Als ich mit dem Fußballspielen anfing, hatte ich nicht besonders viel Unterstützung und meine Familie war sehr arm. Aber ich habe durchgehalten, um eines Tages Profifußballer zu werden. Für meine Mannschaftskameraden und mich war es großartig, Deutschland im Finale zu schlagen. Ich habe mich gefragt, ob die Menschen in Jardim Rincao, dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, die Möglichkeit hatten, das Finale zu sehen.
Sie wurden in Brasilien geboren und spielen seit 2002 in der spanischen Liga. Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrer Ankunft in Europa gemacht?
Als ich ankam, war es nicht leicht. Es gab schwierige Momente für mich, weil ich zum ersten Mal meine Familie in Brasilien verlassen hatte. Außerdem hatte ich zwei schlimme Knieverletzungen, die für mich fast zwei Jahre Zwangspause vom Fußball bedeuteten. Ich hatte Angst, habe aber auch geduldig auf die Gelegenheit gewartet, dass ich den Menschen mein Können zeigen kann.
Es gibt viele Diskussionen über Integration. Auf Ihrer Website betonen Sie folgendes: "Marcos Senna ist auch ein Beispiel für gelungene soziale Integration, und viele Kinder sehen in ihm ein Symbol für Integration und die Globalisierung der Menschheit. Seine brasilianische Herkunft hat ihn nicht davon abgehalten, für die Nationalmannschaft Spaniens sein Bestes zu geben. Marcos ist absolut in die “spanische Mentalität†integriert". Können Sie uns mehr über Ihre Gedanken und Ideen zur Integration erzählen?
Ich bin sehr glücklich darüber, dass die spanische Gesellschaft als Ganzes mir geholfen hat, zu 100 % in die Gemeinschaft integriert zu werden und darüber, dass man mich perfekt behandelt hat. Leider hat nicht jeder so viel Glück. Ich kann nicht verstehen, warum wir immer noch von der Andersartigkeit der Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Nationalität oder Religion sprechen. Unsere Gemeinschaft muss der jüngeren Generation vermitteln, dass wir alle Brüder in der gleichen Welt sind, und dass all die Unterschiedlichkeit eine Bereicherung für diese Welt ist.
FARE bekämpft aktiv alle Arten von Diskriminierung im Fußball. Viele Spieler schwarzer Hautfarbe oder Spieler, die Minderheiten angehören, sind mit Rassismus konfrontiert. Können Sie uns über Ihre persönlichen Erfahrungen berichten?
Im Fußball gibt es auch Leute, die in die Stadien gehen, um Sprechchöre gegen schwarze Spieler anzustimmen. Dabei ist es sehr seltsam, dass sie das nur bei gegnerischen Spielern tun, aber andererseits die schwarzen Spieler der eigenen Mannschaften unterstützen. Ich bin glücklich darüber, dass ich in Spanien ein gutes Ansehen genieße, sodass ich damit keinen Ärger habe.
Berühmte Fußballer wie Sie sind Vorbilder für Fans und Kinder. Was möchte Sie Ihren Fans und der jungen Generation über Rassismus und Respekt sagen?
Wir müssen schon früh im Leben lernen, jeden zu respektieren, denn wenn wir älter werden und die Möglichkeit haben, andere Länder zu besuchen, werden wir erwarten, dass man uns den gleichen Respekt entgegenbringt. Religion, Hautfarbe oder Nationalität dürfen kein Grund für Diskriminierung oder Witze sein, insbesondere weil sie Anlass für uns sein sollten, etwas über andere Kulturen zu lernen und neue Freundschaften zu schließen.
FARE hat das offizielle Antirassismusprogramm bei der EURO 2008 organisiert. Bei den Halbfinalbegegnungen haben die Mannschaftskapitäne im Stadion eine Botschaft gegen Rassismus verlesen. Für Spanien war es Iker Casillas. Sind Sie der Meinung, dass mit solche Maßnahmen die Einstellungen der Menschen geändert werden können?
Es ist wahr, dass die Gesellschaft das reflektiert, was berühmte Stars oder Symbolfiguren tun. Und wir, die Fußballer, müssen diese Verantwortung annehmen. Iker Casillas ist mein Teamkamerad, und er ist sehr stark sozial engagiert. Das ist gut, denn er ist einer der Topspieler Spaniens. Aber nicht nur Fußballstars können das; auch ganz normale Mitbürger können mit kleinen Handlungen die Welt verändern.
Wie kann Rassismus Ihrer Ansicht nach bekämpft werden?
Die richtige Erziehung von klein auf ist entscheidend. Das Problem des Rassismus muss wie alle anderen Themen auch in der Schule behandelt werden. Die Fußballspieler müssen dabei unterstützen und die Menschen kontinuierlich auf das Problem aufmerksam machen. Die Gesellschaft ist es, die die Probleme erzeugt, und die Gesellschaft muss das Problem beseitigen. Diskriminierung muss durch die Erziehung der Kinder schon bekämpft werden, aber meine Fußballkollegen und ich müssen dies mit unseren Handlungen unterstützen. Es ist eine kollektive Anstrengung der Gesellschaft als Ganzes erforderlich, damit das Problem gelöst werden kann.
Sie haben die Marcos-Senna-Stiftung gegründet. Können Sie uns mehr darüber erzählen? Welche Idee steht dahinter, welches sind die Ziele und welche Art von Projekten möchten Sie unterstützen?
Nachdem ich die Euro 2008 gewonnen hatte, verbrachte ich meinen Urlaub in Brasilien. Wie Sie wissen, war einer der ersten Gedanken, die ich nach dem Schlusspfiff hatte, die Frage, ob die Menschen in Jardim Rincao, Sao Paolo, das Spiel im Fernsehen sehen konnten oder nicht. Ich hatte eine lange Pause nach der Meisterschaft und hatte Zeit, mit meiner Frau über die Möglichkeit der Gründung einer eigenen Stiftung zu sprechen. Ihr Ziel ist, Kindern sowohl in Spanien als auch in Brasilien zu helfen. Die Marcos-Senna-Stiftung ist da, um allen Gemeinschaften zu helfen, aber manche sind deutlich bedürftiger als andere.
Wir haben unter anderem in Brasilien ein Projekt zum Bau einer Schule, das ist ein großer Traum von mir. Sie wird in meinem alten Viertel entstehen, einer der ärmsten Gegenden von Sao Paolo. Dort möchten wir 150 Kindern helfen, indem wir kulturelle und sportliche Aktivitäten ermöglichen und ihnen Kleidung und Nahrung geben.