Viel Licht und ein paar Schatten – Fan Embassy Austria

Eine Bilanz der präventiven Fanarbeit bei der UEFA EURO 2024.

Nicht nur auf dem Rasen verlief die EURO aus österreichischer Sicht - bis zum unglücklichen Ausscheiden in Achtelfinale - erfolgreich, auch das fairplay Fan Embassy Team zieht eine positive Bilanz ihrer Arbeit in Deutschland.
 
Einerseits kam es zu vereinzelten diskriminierenden und rechtsextremer Bekundungen von Fans des ÖFB-Teams. Anderseits stellten sich Fans und Spieler auch aktiv dagegen, etwa mit dem „Love Austria, Hate Racism“ Banner beim Niederlandespiel oder der klaren Botschaften von Ralf Rangnick und Michael Gregoritsch gegen rechtes Gedankengut und einem auseinander dividieren der Gesellschaft. Das österreichische Fanbotschaftsprogramm leistete überdies einen Beitrag für eine EM der Vielfalt und weniger Diskriminierung.

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Fanbotschaft bei allen ÖFB-Spielen

Unter dem Motto "Für eine EM der Fans und ohne Diskriminierung" organisierte fairplay als nationales Mitglied des UEFA-Partners „Football Supporters Europe“ (FSE), und in Zusammenarbeit mit den Host Cities und der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) bei der EURO eine sogenannte Fan Embassy (Fanbotschaft). Das Fan Embassy Austria Team begleitete die Nationalteamfans bei den drei Gruppenspielen und beim Achtelfinale in Leipzig.
 
In den Stadtzentren von Düsseldorf (Schadowplatz) und in Berlin (Breitscheidplatz) diente ein gebrandeter Container als zentrale Anlaufstelle für Fragen und Anliegen der mitreisenden Fans. Über interaktive Methoden an diesen Anlaufstellen (Micro-Soccer, Dishtennis), das Verteilen von Infomaterial sowie im Rahmen der Begleitung größerer Fanaktivitäten (Fanmärsche, Fanturnier, etc.) und bei den Spielen des österreichischen Nationalteams kamen wir mit über 2.000 Fans in direkten Kontakt. Zu den Besucher*innen der Fanbotschaft zählten auch ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer, Österreichs Botschafter in Deutschland Michael Linhart oder Ex-Chelsea Spieler Paul Eliott als Teil des UEFA EURO 2024 Menschenrechtsbeirats.

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Fanspezifisches Rahmenprogramm: Kurvendiskussion und Spezialführungen

Die „Fan Embassy Austria“ organisierte auch ein fanspezifisches Rahmenprogramm. Am Tag vor dem Niederlande-Spiel verfolgten rund 60 Fans (des österreichischen Nationalteams und diverser deutscher Klubs) im Haus der Fußballkulturen in Berlin-Prenzlauer Berg die Diskussion „Kurven in Bewegung. Bewegung in den Kurven“. Die Diskussion wurde gemeinsam mit Fanprojekte Berlin und dem ballesterer Magazin organisiert.
 
Bei der Ausstellung „Sport. Masse. Macht. Fußball im Nationalsozialismus“ im Berliner Olympiapark organisierte fairplay prevention mit what matters drei Spezialführungen für Fans. Für den Termin am 23. Juni mobilisierte der ÖFB eine Gruppe von 50 Fans von zehn verschiedenen Fanclubs. Zu Gast war auch der ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer.

Ein Teil des Fan Embassy Teams besuchte am 21. Juni die Konferenz mit dem Titel „Football and Remembrance. Learning From the Past to Strengthen our Future Through Sports.” Die Tagung wurde vom UN Office of the High Commissioner for Human Rights, what matters sowie dem World Jewish Congress organisiert.

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Fälle von Rassismus und Diskriminierung

Als eine Maßnahme der Fan Embassy wurde eine Helpline und eine Online-Meldemöglichkeit für Fälle von Diskriminierung eingerichtet. Nach jedem Spieltag stand das Fanbotschaftsteam im Austausch mit den Fanbeauftragten des ÖFB. 
 
Das Fanbotschaftsteam registrierte vereinzelte rechtsextreme, rassistische, sexistische und homophobe Bekundungen von Personen mit Fan-Bezug zum österreichischen Nationalteams.

Homophobie in Düsseldorf

Beim ersten Spiel in Düsseldorf gegen Frankreich (17. 6.) sang eine Gruppe in Österreich-Trikots auf dem Weg ins Stadion in die Stadtbahn Linie U 78 den homophoben Chant „Kilian Mbappe ist homosexuell, homosexuell“. Allerdings stieg die Mehrheit im Waggon nicht darauf ein.
In der Düsseldorf Arena selbst gab es im Fanblock der Österreich-Fans (Süd) vereinzelte homophobe Sager gegen Antoine Griezmann, die Nummer 7 von Frankreich wurde als „Schwuchtel“ oder „Woarmer“ beschimpft.

Verbotene Tattoos

Beim Begleiten des österreichischen Fanmarsches am Rheinufer entdeckt ein Fanbotschaftsmitglied ein rechtsextremes Tattoo. Auf dem rechten Oberarm eines österreichischen Supporters ist die Zahlenkombination „1488“ zu erkennen. Laut Konrad Adenauer Stiftung ist „1488“ – die Kombination aus den „Fourteen Words” und der Chiffre für den Hitlergruß oder auch den ‚88 Precepts‘ (= ‚88 Grundsätze‘) des amerikanischen Rechtsextremisten David Lane. ‚1488‘ ist die international am stärksten verbreitete Chiffre der rechtsextremen Szene“. Vermutlich gehörte der Fan keinem organisierten ÖFB-Fanclub an, zumindest war keine Zugehörigkeit erkennbar.

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Rechtsextreme & rassistische Vorfälle in Berlin und Leipzig

Großes mediales Aufsehen erregte das „Defend Europe“ Banner, dass im Olympiastadion beim Spiel gegen Polen am 21. Juni im österreichischen Fans First Sektor präsentierte wurde. Die rechtsextremen Aktivisten wählen dazu symbolisch die 88. Minute, „88“ ist hier ein Code für „HH“, Heil Hitler. Die professionelle Reaktion und das schnelle Eingreifen der ÖFB-Fanbeauftragten und der Ordner beendeten die Aktion nach wenigen Minuten. „Defend Europe“ ist eine zentrale Parole der extrem Rechten und ruft zur „Verteidigung“ Europas gegen den Islam und gegen »Geflüchtete« auf.
 
Auch die UEFA reagierte schnell und adaptierte nach diesem Vorfall die Stadionordnung. Der Slogan „Defend Europe“ ist von nun an als explizit politische Aussage verboten. Dies war unter anderem auch aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen Fan Embassy Austria, dem Fanprojekt Berlin sowie FSE, UEFA und ÖFB möglich.
Nach der Aktion zeigte sich der ÖFB sehr betroffen: „Nationalteam und Verband stehen ganz klar für Toleranz, Vielfalt und Integration in allen Bereichen unserer Gesellschaft" und „hetzerische Botschaften wie diese haben im Fansektor des Nationalteams keinen Platz", hieß es in einer Stellungnahme. Es wurde betont, dass der Banner nicht der organisierten Fanszene des Nationalteams zuzuordnen sei.
 
Aufsehen erregte ein Stimmungsbericht des Schweizer Fernsehens SRF vor dem Achtelfinale Österreich- Türkei in Leipzig. Während der Übertragung vom Fanmeetingpoint am Richard Wagner Platz grölt eine kleine Gruppe von Anhängern der ÖFB-Auswahl zur Melodie des Lieds "L'amour toujours" die Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Auch beim Hauptbahnhof Leipzig wird von ca. 10 Fans in Österreich-Trikots der Song Gigi-D’Agostino Song intoniert, inklusive „Deutschland den Deutschen“, allerdings ohne „Ausländer raus“. Vor dem Spiel beobachtete das Fanbotschaftsteam in der Innenstadt von Leipzig viele positive Begegnungen zwischen türkischen und österreichischen Fans. Lediglich am Ende des Spiels wurde in großen Teilen des österreichischen Fansektors kollektiv „Türkenschweine“ skandiert.
Als Reaktion auf den TV-Bericht aus Leipzig machte die „Fankurve Österreich“, ein Verbund der aktiven, offiziellen ÖFB-Fanclubs klar, dass sie für eine „offene und tolerante Kurve“ stehen und solche Fangesänge bei ihnen keinen Platz hätten. Das Lied sei von den Vorsängern weder in den Stadien noch bei Fanmärschen angestimmt worden.

Bereits vor dem Spiel Österreich -Polen in Berlin stimmte eine Gruppe von Österreich-Fans beim Fanmeetingpoint den rassistischen „Ausländer raus“ Refrain an. Laut der Leiterin des Berliner Safeguarding Teams spielte ein DJ auf der Bühne am Breitscheidplatz den Song von Gigi D’Agostino.

Sexismus und Misogynie als Teil der Fankultur

Die gängigste Form von Diskriminierung, die in Deutschland zu beobachten war, war sexistischer Natur.
 
Beispielsweise nach dem 3:1 Erfolg gegen Polen (21.6.) wurde auf der S-Bahn Rückfahrt vom Berliner Olympiastadion bis Bahnhof Zoo neben den Klassikern wie „Ich singe rot, ich singe weiß“ oder auch „I am form Austria“ auch sexistisches Liedgut zum Besten gegeben. Eine Gruppe junger Rapid Fans sangen neben „Austrianer Hurensöhne“ und auch den Chant „Ja wir sind Wiener, asoziale Wiener, schlafen unter Brücken, schicken unsere Weiber auf den Strich“. Eine gemischte Gruppe u.a. mit Vorarlberger Fans skandierten dann noch Vergewaltigungsfantasien „Wir haben Adi Hütter und f*** eure Mütter“ und dann noch unter Beteiligung von anderen Fans „Wir haben Konni Laimer und f*** eure Weiber“.
 
Auch beim österreichischen Fanmarsch vor dem Spiel gegen Niederlande (25.6.) vom Breitscheidplatz in Richtung Berliner Olympiastadion waren sexistische bzw. misogyne Gesänge zu hören. Als der Marsch beim Balkon einer Zahnarztpraxis – auf dessen Balkon sich Mitarbeiterinnen in Arztkittel aufhielten – vorbeizog, wurde lautstark „Ausziehen, ausziehen“ skandiert. Der in Deutschland häufig gesungen Chant „Wir haben Konni Laimer und wir f*** eure Weiber….“ wurde des Öfteren angestimmt. Eine Reaktion anderer Fans konnte die Fan Embassy nicht wahrnehmen.

Rassistische Trittbrettfahrer

Auch in Österreich versuchen Gruppen die EM rechtsextrem zu vereinnahmen. In einem Video der Freiheitlichen Jugend Österreich wird das ÖFB-Nationalteam rassistisch attackiert. „Wir sorgen dafür, dass die österreichische Nationalmannschaft nicht aussieht, wie die Französische“, prahlt ein Vertreter der FPÖ-Parteijugend. Damit wird unverblümt auf die Hautfarbe von Kevin Danso, Phillipp Mwene oder Non-Playing Captain David Alaba Bezug genommen. Aufgrund der vielen schwarzen Spieler ist das französische Nationalteam immer wieder Zielscheibe für rassistische Angriffe von Rechtsextremen. 2014 musste der FPÖ-Politiker Andreas Mölzer zurücktreten, nachdem er unter Pseudonym den jungen David Alaba als "pechrabenschwarz" rassistisch verunglimpft hat. 

Bei Public Viewings in Wien bei den Spielen Österreich – Türkei und Niederlande -Türkei ist es vereinzelt zum Zeigen des seit 2019 in Österreich verbotenen rechtsextremen „Wolfsgrußes“ gekommen (siehe: https://wien.orf.at/stories/3263715/ ).

Das EM-Fanbotschaftsprogramm wird maßgeblich vom Sportministerium als Teil des Projekts „fairplay prevention - Anlaufstelle gegen menschenfeindliche Ideologien“ finanziert.

Infos zur Fan Embassy
 

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