“Welcome to Egypt”, so lautet die Standardbegrüßung für mich als Neuangekommenen, egal ob im Hotel oder seitens der netten Freiwilligen im Akkreditierungszentrum im Stadion. Doch schon am ersten Tag meines Aufenthalts in Kairo wurde klar, dass nicht alle auf ein nettes Fußballfest eingestimmt sind.
Auf dem Weg vom Cairo International Stadium zur nahegelegenen Metrostation mache ich Fotos von der Umgebung. An einer Straßenecke sehe ich Polizisten die Autos kontrollieren. Die werden auf mich aufmerksam, ihnen missfällt mein dokumentarisches Tun. Mein gerade neu erlangtes Medienbadge mit der Aufschrift “ballesterer football magazine” lässt sie unbeeindruckt, und sie wollen meinen Pass sehen. Das ganze endet damit, dass ich in der sengenden Sonne meine Fotos auf der Kamera durchklicke und nach Begutachtung einzelne Fotos löschen muss. Dann zum Abschied die schroffe Anweisung des Polizisten-Capo: “Pictures inside, not outside the stadium!” Schließlich bin ich erleichtert, wieder gehen zu dürfen.
Gastgeber mit harter Hand
Eigentlich will Ägypten ein besonders guter Gastgeber des mit Abstand größten Sportevents des Kontinents sein. Man möchte zeigen, dass das 90-Millionen-Land Fans, Tourist_innen und Medienvertreter_innen willkommen heißt. Nachdem Kamerun erst im November die Austragung entzogen wurden, blieben nur sechs Monate Zeit, das Turnier auf die Beine zu stellen. Und vom Sicherheitsaspekt ist dieser Afrika-Cup Neuland. Erstmals sind 24 Teams dabei und allein 12 Teams waren in der Vorrunde in Kairo stationiert, so viele wie noch in einer einzelnen Stadt in der Geschichte des Turniers. Zudem kommt die Angst vom innerägyptischen Terror, am Sinai kämpft ein IS-Ableger seit 2014 mit Anschlägen gegen den Staat. Zudem ist nach dem Tod des früheren Präsidenten Mohammed Mursi die Lage im Land angespannt. Dementsprechend ist der Sicherheitshype beim Matchbesuch: schon in den Metrostationen werden Taschen gescannt, rund um die Stadien sind zehntausende Polizisten und Sicherheitsleute eingesetzt, die Taschen der Fans werden dann noch mehrmals durchsucht. Olaf Jansen von der Deutschen Welle spricht auch angesichts von kreisenden Hubschraubern von “beklemmender Stimmung bei allen Beteiligten”. Mit der Unbeschwertheit eines panafrikanischen Get-togethers hat das noch wenig zu tun.
Meine direkten Erfahrungen mit dem Sicherheitsapparat sind vermutlich eine Mischung aus Panik vor möglichen Anschlägen, aber auch Alltag in einem repressiven Staat, der vom Militär mit harter Hand geführt wird.
Licht und Schatten
Nach dem Abschluss der Gruppenphase ist bei der heutigen Pressekonferenz des CAF Generalsekretärs Mouad Hajji natürlich auch Positives berichtet worden. Der Funktionär aus Marokko zeigte sich vor allem mit der Ausweitung der teilnehmenden Teams zufrieden.
“24 Teams sind für das Turnier zeitgemäß, das können wir an Madagaskar sehen, die ihre Gruppe gewonnen haben. Die CAF will nicht zwei Geschwindigkeiten der Entwicklung, sondern dass das gesamte Spiel in Afrika voranschreitet”, so Mouad Hajji.
Das Team aus Madagaskar ist in der Tat die freudige Überraschung des bisherigen Turniers. Im FIFA-Ranking belegt die Insel im indischen Ozean hinter den Färöer Inseln den 108. Platz, dass sie sich erstmals in der 62jährigen Turniergeschichte qualifizieren konnten, war schon eine Sensation. Aber jetzt wurde sogar der dreifache Afrika-Cup Sieger Nigeria 2:0 geschlagen. Am Sonntag in Alexandria gegen die Demokratische Republik Kongo ist man als Gruppensieger sogar Favorit. Und das mit einem Nebenerwerbscoach, denn Trainer Nicolas Depuis bessert sich beim französischen Viertligisten FC Fleury 91 seinen Gehalt auf.
Auch wenn kein wirkliches Schwergewicht den Aufstieg ins Achtelfinale verpasst hat, gab es einige schwache Leistungen. Tunesien, der Teilnehmer der WM 2018 und im Ranking hinter Senegal das zweitbeste afrikanische Team, brachte es in der Gruppe mit Mali, Mauretanien und Angola nur auf drei Unentschieden. Am Montag gegen Ghana droht jetzt das Turnierende. Ghana profitierte in der Gruppe zwar von der Schwäche des Titelverteidigers Kamerun, doch die Erfahrung zeigt, dass sich die “Black Stars” noch immer im Turnierverlauf steigern konnten, so standen sie bei den letzten sechs Turnieren immer im Semifinale.
Bereits frühzeitig kommt es zwischen den beiden Mitfavoriten Kamerun und Nigeria zu einem vorzeitigen Showdown. Sollte Kamerun die Heimreise antreten müssen, ist wohl auch das Trainerduo Clarence Seedorf und Patrick Kluivert Geschichte. Dass Ägypten gegen Südafrika den Aufstieg schafft, bezweifeln wenige. Die nationale Verehrung von Superstar Mo Salah, dessen Abbild im Stadtbild von Kairo omnipräsent ist, kann dann weitergehen.
Wenn auch die Ägypten-Spiele alle ausverkauft waren, so sind die weitgehend leeren Stadien hier ein Thema. Mit Ausnahme der Spiele von Gastgeber Ägypten sowie Marokko und Algerien fehlte es bislang an Zuschauer_innen und Fans. CAF Generalsekretär Hajji kündigte heute an, dass die Ticketpreise für die Semifinali angepasst würden. Allerdings muss angemerkt werden, dass bei den letzten Turnieren der Fan-Zuspruch auch nicht wirklich höher war.
Vielleicht bin ich sogar zum richtigen Zeitpunkt angereist, einige der wenig prickelnden Gruppenspiele sind vorbei, was jetzt kommt, ist hoffentlich packende Fußballkunst.
Kurt Wachter ist für die fairplay Initiative und für den ballesterer beim Afrika Cup unterwegs. Ägypten 2019 ist der mittlerweile siebte Afrika Cup, den er journalistisch begleitet. Er wird bis zum Halbfinale über das Geschehen im Stadion, aber vor allem abseits davon berichten. Diese Berichterstattung ist Teil des fairplay-Projektes "Sport für Entwicklung", das maßgeblich von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gefördert wird.